Unser 15. Transport – und unser 50. Fahrzeug!



Vom 10. bis 14. April waren wir wieder unterwegs und sind in der Nacht vom Montag auf Dienstag zurückgekehrt. Irgendwie fühlt es sich unvollständig an. So als seien wir nicht fertig. Und wir sind auch nicht fertig – unsere Unterstützung geht weiter, denn die Ukraine gibt nicht auf, und wir auch nicht.

Aber zunächst zurück zum Transport. Dieser Bericht könnte mit denselben Worten anfangen wie der über unseren 14. Transport im Januar dieses Jahres: “Dieser Transport war der bisher größte, …” – allerdings hatten wir diesmal 9 Fahrzeuge und am ersten Tag 17 Fahrer*innen, am zweiten dann 10. Der Mitsubishi L200, der aufgrund eines Motorschadens im 14. Transport liegen blieb, und dann abgeschleppt und repariert werden musste, war wieder am Start. Weitere Fahrzeuge kamen aus dem Rhein-Neckar Gebiet, aus der Region Frankfurt, aus dem Ruhrgebiet und dann kurz vor der Abfahrt aus Kiel dazu.

Im Vorfeld dieses Transports hatten wir einen unfassbar großzügigen Spendensegen von vier privaten Unterstützern, die jeweils ein ganzes Fahrzeug finanzieren konnten. Hinzu kam der Wunsch unserer Partnerorganisation Lawyers’ Move, bei diesem Transport die Beschaffung von drei Evakuierungsfahrzeugen zu co-finanzieren. Auch von der BIA (Bürger für Integration und Asyl St. Leon-Rot e.V. ) und von ihren Mitgliedern kamen diesmal nach unserem Vortrag im Seerestaurant viele Spenden zusammen. Und last but not least erhielten wir eine sehr großzügige Spende vom Lions Club Ingelheim (Vereinigung der Freunde des Lions Club Ingelheim e.V.).

Wir sind sehr, sehr dankbar für die Unterstützung, die wir hier erfahren.

Aus Ungarn meldete sich Bill, der uns schon beim Konzert von Samyr Sakyiv im letzten Herbst in Heidelberg spontan unterstützt hatte. Unser 15. Transport wurde eine Kollaboration mit seiner Initiative “Dnipro Express”. Er hatte eine große Spende aus den USA erhalten und bat uns um Unterstützung bei der Beschaffung eines SUV und beim Überführen in die Ukraine. Wir konnten mit seinem Geld einen geeigneten Nissan Pathfinder beschaffen. Bill war es auch, der uns den Kontakt zu Cathrin in Kiel vermittelte, die nicht nur mitfuhr, sondern auch gleich “ihr Fahrzeug”, einen Ford Ranger, bei Hamburg beschaffen konnte. Und so wuchs die Anzahl Fahrzeuge von geplanten drei mit der Zeit auf zehn. Bill selbst hatte in Ungarn einen weiteren Pickup beschaffen können, und dann – kurz vor knapp – noch eine Ambulanz in England.

Letztlich hatten wir – zusätzlich zu den zwei Fahrzeugen, die Bill transportierte, in Summe fünf VW Transporter, vier Pickups und ein SUV. Da einer der VW Transporter jedoch nochmals Reparaturen brauchte, und überdies leider zwei Fahrerinnen kurzfristig absagen mussten, fuhren wir dann mit neun Fahrzeugen los. Und – Spoiler-Alert – es kamen auch neun Fahrzeuge in Kyiv an.

Neben großzügigen Materialspenden aus der Chirurgie erhielten wir dieses Mal auch wieder einiges von den uns unterstützenden Augenärzten, allein drei Kisten mit OP-Besteck für Augenoperationen, sowie weitere wertvolle Spenden aus der Handchirurgie. Aus der Bodensee-Region erhielten wir Pflegematerialien, einen Rollstuhl und einen Rollator. Weiteres Material kam von Kinderärzten hinzu. Grabenkerzen, die in Walldorf von der lokalen ukrainischen Geflüchtetengemeinde gegossen worden waren, nahmen wir auch wieder mit. Das Wetter unterwegs zeigte uns, dass sie durchaus noch benötigt werden, auch wenn hier im Raum Heidelberg-Speyer bereits alles grünt. Andreas konnte uns – zusammen mit dem von ihm beschafften VW-Transporter – eine Spende von sieben fabrikneuen Rollstühlen und einen Karton voll gebrauchter PCs mitbringen.

Einige Fahrzeuge brauchten noch Checkups oder auch Reparaturen. Mit der Gesamtkoordination von TÜV, Reparaturen und erneutem TÜV war die Zeit vor der Abfahrt gut gefüllt.

Und schließlich hatten wir diesmal viele neue Mitfahrer an Bord, aber auch Menschen, die bereits das zweite, dritte oder fünfte Mal mitfuhren.

Mittwoch, 9. April 2025

Dieser Bericht beginnt am Vorabend der Abfahrt. Der Spiegel-Bestsellerautor Stephan Orth hatte zu Anfang des Jahres bereits einen Benefizvortrag für uns über sein aktuelles Buch “Couchsurfing in der Ukraine” mit freundlicher Unterstützung des Kulturforums Südliche Bergstraße e.V. gehalten. Nun ergab sich die Möglichkeit einer erneuten Benefizlesung in der Buchhandlung Osiander in Speyer – allerdings direkt am Mittwoch vor der Abfahrt. Stephan Orth hatte außerdem den Wunsch geäußert, bei uns als Mitfahrer einzusteigen, so dass wir beides kombinieren konnten. Der Vortrag in Speyer war gut besucht, und die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurde kurz.

Donnerstag, 10. April 2025

Am Donnerstagmorgen brachen wir – wie immer –in aller Herrgottsfrühe um viertel nach vier auf, und leider wollte Malte’s T5 nicht anspringen. Michael und Jim nahmen daher die Extrameile über St.Leon in Kauf und leisteten Starthilfe. Mit einer halben Stunde Verspätung fuhren dann alle am Treffpunkt Kraichgau Süd ab. Die Fahrt bis Polen verlief ohne Zwischenfälle.

Dann ließ in Annette’s Pickup jedoch die Beschleunigung nach, das Auto wurde immer langsamer. Aus- und wieder Einkuppeln half, aber immer nur kurzfristig. Möglicherweise waren Filter verstopft, vielleicht gab auch schlechter Treibstoff den Filtern dann den Rest. Mit Nachtanken von höherwertigem Diesel trat das Problem dann weniger häufig auf.

Zusätzlich meldeten sich jedoch in Georgs T5 nach und nach alle Warnlampen im Cockpit – ein Weihnachtsbaum in der Osterzeit. Das Handbuch riet dazu, dringend die nächste Werkstatt aufzusuchen, das Fahrverhalten war jedoch völlig unauffällig. Wir verteilten die Ladung des T5 auf die anderen Fahrzeuge, und Michael, Peter, Brigitte und Georg fuhren in Polen mit zwei Fahrzeugen zu einer VW-Werkstatt. Der Rest des Konvois setzte die Fahrt fort. Die Werkstatt diagnostizierte ein Sensorenproblem, dann konnten auch die beiden Fahrzeuge ihre Fahrt wieder aufnehmen.

Abends in Radymno trafen wir uns alle. Auch Bill aus Ungarn kam dazu, mit dem eigenhändig am Rahmen geschweißten L200 Pickup, und Matt aus England, der für Bill’s Initiative die Ambulanz beschafft hatte. Cathrin stieß aus Kiel mit unserem Ford Ranger dazu, und wir waren komplett.

Freitag, 11. Januar 2025

Der Morgen in Radymno überraschte uns mit weißer Landschaft und Schneefall. Wir machten flink noch ein gemeinsames Foto mit allen und mit den Autos. Die eine Hälfte der Fahrer trat den Heimweg an, die Übrigen brachen zur polnisch-ukrainischen Grenze auf. Die Grenzüberquerung verlief schnell und problemlos. Wir hatten alle 11 Fahrzeuge innerhalb von zwei Stunden auf beiden Seiten abgefertigt. Darauf gab es direkt nach der ukrainischen Grenze an der Tankstelle einen Hotdog mit Kosakengesicht!

In Dreiergruppen kamen wir ohne Zwischenfälle durch Lviv und fuhren bis hinter Rivne weiter.

Kurz nach Rivne machten wir erneut Halt und fuhren dann weiter nach Kyiv, wo wir die Fahrzeuge abends am Sitz unserer Partnerorganisation Lawyers’ Move, dem „Hub“ abstellen konnten. Dort empfing uns unser Freund Ruslan mit großer Freude.

Wir fuhren dann mit wenigen Fahrzeugen zum Hotel weiter. Natürlich kam nachts ein Luftalarm, aber es waren nur wenige Shahed-Drohnen unterwegs, so dass wir eine halbe Stunde auf den Fluren der Stockwerke saßen, durch zwei Wände von der Außenwelt getrennt, bis die Entwarnung kam.

Samstag, 12. Januar 2025

Am Samstagmorgen trafen wir Ruslan zum Frühstück und machten uns dann auf den Weg zum Hub. Wir luden die Rollstühle aus dem T5, um ihn für die Übergabe vorzubereiten. Dani hatte uns einen Kontakt zu einem Waisenhaus vermittelt, die die Kinderarzt Sachen abholen konnten.

Der orangefarbene VW-Transporter, den Jürgen von Radymno nach Kyiv gefahren hatte, ging an die Einheit von “Moryak”, (Matrose). Wir hatten seiner Einheit im Oktober 2023 bereits in Kharkiv ein Fahrzeug übergeben und später noch einen Mitsubishi-Pickup. Moryak war im zivilen Leben Seemann – daher der Rufname. Er kam mit zwei weiteren Kollegen aus seiner Einheit und war hocherfreut, den VW-Transporter zu erhalten. Seine Einheit setzt an der Front FPV- und Aufklärungs-Drohnen ein, wehrt aber auch ihrerseits Angriffe russischer Kamikaze-Drohnen ab. Moryak hatte etwas Zeit mitgebracht, und wir konnten mit ihm noch einen Kaffee trinken und uns unterhalten, während die beiden Mitglieder aus seiner Einheit den VW übernahmen und sich schon auf den Rückweg “zur Arbeit” machten.

Das zweite Fahrzeug, nahm am Samstag der Geschichtsprofessor Ihor Zhaloba in Empfang, der sich zu Beginn der Vollinvasion mit 58 Jahren freiwillig zu den ukrainischen Streitkräften gemeldet hatte. Er hielt über seine Arbeit an der Front – auf Einladung von Pickup4Ukraine und der Württemberger Gesellschaft bzw. dem Kulturforum Südliche Bergstraße – zu Beginn des Jahres in Heilbronn und Wiesloch jeweils Vorträge . Prof. Zhaloba bekam einen Nissan Navara Pickup für die Freiwilligen-Einheit, in der er selbst tätig gewesen war. Sie hatten extra Geld gesammelt, mit dem das Fahrzeug teilweise finanziert werden konnte.

Es kam ein Luftalarm mit Raketendrohung, so dass wir eine Zeit im Hub blieben. Dort war eine andere Gruppe Freiwilliger damit beschäftigt in einem durchorganisierten, arbeitsteiligen Prozess Teile für Drohnen zusammenzubauen. Einige von uns konnten mithelfen.

Bill, Matt und Cathrin brachen zusammen mit Vika, einer ukrainischen Sanitäterin, die am frühen Morgen aus dem Süden nach Kyiv gekommen war, in dem ungarischen L200, dem von uns beschafften Pathfinder und der britischen Ambulanz in Richtung Dnipro auf, um die Übergaben von Dnipro Express im Süden zu machen.

Michael und Annette halfen Ruslan, zwei Fahrzeuge zu der Werkstatt zu bringen, in der die Autos zu Evakuierungsfahrzeugen konvertiert werden. Der L200 Pickup wurde im Laufe der Woche umgebaut und mattschwarz lackiert, so dass Ruslan ihn am folgenden Wochenende schon ausliefern konnte. Ein Video findet sich hier .

Die anderen konnten noch einen Spaziergang durch Kyiv unternehmen.

Am späten Samstagnachmittag hatte Ruslan für uns Karten für den Kinofilm “Киснева Станція» (=»Kysneva Stantsiya», also “Sauerstoff-Station”), besorgt. Das Foto entstand vor Beginn der Vorführung.

Der sehr nachdenklich machende Film erzählt in Ausschnitten aus dem Leben des Mustafa Dzhemilev im Sommer 1980. Dzhemilev ist ein Dissident von der ukrainischen Halbinsel Krim, der in Zyryanka in Jakutien im Strafexil in einer Fabrik als Befüller von Sauerstoff-Flaschen arbeiten muss. Der Film vermischt realistische Erzählung mit magischen Elementen und Träumen. Die Arbeit von Dzhemilev, aber auch der Widerstand gegen die damals sowjetischen Machthaber und heutzutage gegen russische Besatzer, werden mit dem Sisyphos-Mythos verglichen.

In der Nacht hatten wir gleich nach dem Zubettgehen gegen 23:00 Uhr Luftalarm, ebenfalls wieder “nur” Shahed-Drohnen, aber dafür zwei Stunden andauernd. Wir schliefen derweil im Flur.

Sonntag, 13. Januar 2025

Am Morgen des Palmsonntags trafen wir uns am Khreshchatik in einem Buchcafé. Die ganze Fassade besteht aus meterhohen Glasfenstern. Während des Frühstücks kam der nächste Luftalarm, und ballistische Raketen waren angekündigt. Alle Besucher um uns herum blieben sitzen und wir schauten auf die Telegram-Kanäle, um Details der Warnung zu erfahren. Während wir noch überlegten, weg von der Glasfassade direkt ins Untergeschoss zu gehen, sagte Ruslan, die Raketen würden wohl in Sumy einschlagen. Das war dann auch der Fall. Wir frühstückten weiter, und in Sumy wurden Menschen auf einem öffentlichen Platz unterwegs zum Palmsonntagsgottesdienst von einer russischen Rakete getroffen. Kurz darauf schlug die zweite Rakete für die Rettungskräfte ein. Solche Ereignisse motivieren uns, noch mehr zu unternehmen, Fahrzeuge zu beschaffen und sie zur Unterstützung der ukrainischen Verteidiger in die Ukraine zu bringen, um ihnen zu helfen, die russische Aggression zurückzudrängen.

Nach der Entwarnung fuhren wir wieder zum Hub und hatten zwei weitere Fahrzeug-Übergaben:

Der Ford Ranger aus Kiel, den Cathrin nach Kyiv gefahren hatte, wurde an die Einheit übergeben, die im vergangenen Oktober den Toyota Hilux von uns erhalten hatten. Der Nissan Navara, den Dietmar nach Kyiv gefahren hatte, ging an die Einheit von Pavlo eines ehemaligen Mitstudenten von Olena, einer SAP-Kollegin, die auch bereits mit Pickup4Ukraine unterwegs war. Olena war unabhängig von uns auch erade in Kyiv und kam dazu, und die beiden freuten sich über das Wiedersehen. Zwei Menschen, die beide BWL studiert haben. Einer arbeitet jetzt für SAP, und der andere hat sich freiwillig für Frontlogistik für die Armee seiner Heimat gemeldet.

Mariia von “Ukraine Frontline Hospitals” kam und konnte die Ladungen der Fahrzeuge sichten. Pavlo half dann noch beim Umladen der Rollstühle, Kisten und Säcke. Ein Teil wurde im Hub zwischengelagert, zwei VW-Transporter wurden randvoll mit Gütern beladen, die wir direkt zu Nova Poshta bringen konnten, wo sie an die Krankenhäuser verschickt wurden, mit denen Mariia’s Hilfsorganisation zusammenarbeitet.

Nach einem kurzen und späten Mittagessen gab es noch etwas Zeit in Kyiv.

Dann trafen wir SAP-Kollegen zum Abendessen. Beim Abendessen erklärte Denis uns ein Ritual, das außer vielen gemeinsamen “Bud’mo” Rufen im Wesentlichen den Genuss von Horilka (Wodka), Schwarzbrot, Schweineschmalz, Lauchzwiebeln und Borschtsch umfasst.

Unser Zug ging pünktlich um kurz vor 23:00 in Richtung Polen.

Montag, 14. Januar 2025

Die weitere Heimreise verlief ohne Zwischenfälle, wir kamen gut mit dem Zug nach Polen, fuhren nach Krakau weiter und konnten – mit etwas Verspätung – den Flug nach Frankfurt nehmen. Stephan Orth verließ uns schon in Rzeszów und flog nach Hamburg. Vielen Dank nochmal an Stephan für die Unterstützung und die Mitfahrt! Und vielen Dank an Dani für das Abholen in Frankfurt und die Erdbeeren unterwegs!

Wir möchten an dieser Stelle all denen danken, die zum Erfolg dieser Lieferung beigetragen haben: unseren Freunden und Mitgliedern, die im Vorfeld bei der Suche, beim Kauf und bei der Instandsetzung der Fahrzeuge geholfen haben; den Krankenschwestern und Ärzten, die wertvolle Sachspenden für Krankenhäuser sammeln und spenden; den FahrerInnen, die mit Zeit und Geld die Fahrzeuge ans Ziel bringen,  insbesondere Nils, der eine Dreiergruppe von Fahrzeugen führte; Stephan Orth für seinen Benefizvortrag in Speyer, für das Mitfahren und die Berichterstattung auf sozialen Medien unterwegs; unseren Partnern von Lawyers’ Move sowie Ukraine’s Frontline Hospitals für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Gastfreundschaft; unseren KollegInnen von SAP-Ukraine, die uns immer wieder herzlich empfangen und verwöhnen, insbesondere Alena für die Organisation und Buchung unserer Bahntickets. Vor allem danken wir denen, die durch ihre großzügige finanzielle Unterstützung unsere Tätigkeit erst ermöglichen. Zusammen leisten wir einen spürbaren Beitrag für die Ukraine.


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